"Wir liegen vor Dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit." (Daniel 9, 18)

Liebe Leserinnen und Leser,

Daniels Gebet ist ein Schrei im Schmerz, in der Verzweiflung. Seine Haltung „am Boden zerstört“ drückt aus, was der Mund vor Qual nicht mehr sagen kann. Daniel ist einer der Übriggebliebenen nach einem brutalen Krieg, der sein Land zerstört, seine Familie getötet oder verschleppt hat. Die Erfahrungen des Leides, die hinter diesem Bibelvers stehen, lassen Menschen bis in unsere Gegenwart verzweifeln.

Niedergedrückt, „am Boden zerstört“ sind wir auch, wenn das Leid plötzlich in unser persönliches Leben eindringt: ein schwerer Unfall, eine Krankheit, der Abschied für immer… Wir kennen auch dieses langsame Niedergedrücktwerden, diesen schleichenden Schmerz. Das kann die Last in der Familie sein. Das können die Überforderungen im Beruf bewirken. Auch nicht gelöste Probleme können unser Leben immer ungeordneter, einsamer oder unglücklicher machen. Einmal werden dann die Lasten zu schwer, sind wir mit unseren Kräften am Ende. Wir liegen am Boden. Es gibt nur Hilflosigkeit, Ausweglosigkeit. Wir sind wie fremd in unserem eigenen Leben.

Wenn Daniel betet: „Wir vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit“, so ist das kein Kleinmachen, keine Unterwerfungsgeste. Er weiß, dass er mit all seinem Wissen und seinen Erfahrungen nichts mehr ausrichten kann. Schmerz und Leid wirken tief in das Person-sein hinein, verändert es. So schreibt jemand über seine Erfahrungen bei einer schweren Krankheit: „(…) Bisher hatte ich Boden unter den Füßen. Mein Leben habe ich selbst in der Hand - dachte ich. Jetzt entgleitet mir alles. Ich meine zu fallen. Wohin? Mein Gott, wie weit?“ 

Die Verzweiflung dieses Kranken drückt sich aus in einem Gebet. „Wir liegen vor dir…,“ betet auch Daniel in seinem Leid. Daniel glaubt an ein Gegenüber, er glaubt, dass er gehört wird. Sein Gott hat den Namen „große Barmherzigkeit“. 

Was jedoch ist, wenn Schmerz und Verzweiflung den Glauben nehmen? Wenn diese Worte und Haltungen, diese Gebete, die uns selbstverständlich sind, uns auf einmal fremd werden? Werden wir gehört, auch wenn wir ins Nichts schreien? Kann das Schreien ein Gebet sein, wenn auch der Glaube „am Boden zerstört“ ist? Was heißt da „große Barmherzigkeit“? 

Jesus erklärt seinen Jüngern das Wort „Barmherzigkeit“ mit einer Geschichte. Ein Mensch, noch nicht einmal recht gläubig, handelt barmherzig. Er sieht einen fast Totgeschlagenen, und „es jammerte ihn“. Er besorgt alle die Dinge, die nötig sind, damit der andere am Leben bleibt (vgl. Lukas 10, 30 bis 37). Barmherzigkeit, sagt Jesus, ist nichts anderes, als sein Herz vom Leid des anderen Menschen bewegen zu lassen. Sie ist auch an keine Bedingungen geknüpft. Ob wir in unsere Verzweiflung beten, ob wir ins Nichts schreien - unser Leiden bewegt das Herz Gottes, in seiner großen Barmherzigkeit.

Wie geht es uns, was erfahren wir, was ändert sich? Der Samariter, der den beinahe Totgeschlagenen fand, erzählt Jesus, bewirkt kein Wunder. Der Verletzte wird noch lange brauchen, bis er genesen ist. Doch er hat ein anderes Wunder erlebt. Er ist der Barmherzigkeit begegnet. Diese Erfahrung wird nicht von Leid und Schmerz befreien. Trotzdem kann sie Menschen ändern.

In den letzten Monaten und auch jetzt in besonderer Weise macht vielen Menschen das Coronavirus Angst. Neben den wichtigen Hygiene- und Abstandsregeln haben Christinnen und Christen ein Mittel zur Wahl, das ihnen helfen kann: das Gebet. 

So wie vor vielen Jahrhunderten sich Daniel in seiner Lebenslage an Gott im Gebet gewandt hat, so können wie heute uns auch im Gebet an Gott wenden und an seine Barmherzigkeit appellieren. Gott alles sagen, ihm die Ängste und Sorgen, die Trauer und Einsamkeit anvertrauen, das kann helfen. Das Gebet ist eine große Macht und mit allem, was uns bewegt können wir zu Gott kommen. „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“

Es grüßt Sie sehr herzlich und wünscht Ihnen eine gesegnete Zeit,

Elisabeth Hollmann-Plassmeier

Bilanz ziehen

Liebe Leserinnen und Leser,

nur noch eine kurze Zeit und das Jahr 2024 gehört der Vergangenheit an. Zum Jahresende ziehen viele Menschen Bilanz - nicht nur die Geschäftsleute. Wie sah unser, wie sah Ihr Jahr aus? Was war gut in diesem Jahr, was war schlecht? 

Die Bilanz zum nunmehr ausklingenden Jahr wird unterschiedlich ausfallen, bei jeder und jedem von Ihnen. Wir betrachten das, was geschehen, gewollt, gewünscht und verwirklicht wurde. Und wahrscheinlich wird jede und jeder neben dem Habenkonto auf der einen Seite immer auch ein starkes Verlustkonto auf der anderen Seite stehen haben: unterlassene Dienste, vergessene Menschen, offen gebliebene Fragen, schmerzliche Enttäuschungen.

Für manche war es ein Jahr von vielen, das sich nur wenig von den anderen unterscheidet und sich wie eine Perle an die andere zu einer Kette, einer langen Reihe von Lebensjahren, reiht. Nichts Außergewöhnliches. Nichts Besonderes. Nichts, was sich spürbar in unseren Erinnerungen eingegraben hätte. Ein Jahr von vielen, die uns Gott schenkt.

Für einige war dieses Jahr dunkel und gekennzeichnet von Kummer und Schmerz, hat es Leid gebracht. Da, wo eine Ehe in die Brüche gegangen ist, ganze Lebensentwürfe geplatzt sind wie Seifenblasen. Wo es ein Ende mit Schrecken zwar nahm, aber auch einen Neuanfang möglich macht, trotz aller Enttäuschungen und Verletzten.

Und auch da, wo der Tod eingebrochen ist und Menschen gestorben sind, bleibt eine Leere und Traurigkeit, die immer wieder hochkommt, uns aufwühlt und zum Weinen bringt.

Und wo Krankheit sich breit macht und Schmerzen und Angst und Sorgen, da wird plötzlich das Leben so wacklig und die Zukunft so unsicher. Da erscheint uns das Jahr, das nun zu Ende geht, als finster und düster und wir finden nur wenig Gutes in ihm.

Doch nicht nur solche Anlässe lassen ein Jahr im Gedächtnis behalten. Auch Freudiges ist geschehen. Menschen haben sich gestritten und versöhnt, gesucht und gefunden, verliebt und geheiratet. Und andere konnten mit Stolz auf lange Jahre ihres Zusammenseins zurückblicken. Und wieder andere bekamen Kinder, oder sonst irgendwie tat sich eine Tür auf und ein neues Kapitel in ihrem Leben wurde aufgeschlagen.

Und jede Veränderung, die wir machen, verändert uns. Wir sind nachher nicht mehr die alten, sondern sehen die Welt mit anderen Augen und verhalten uns auch anders als vorher. Nichts, was uns an Guten und Schlechten im Leben geschieht, geht an uns spurlos vorbei. Sich verändernde Umstände im Leben ist die eine Gewissheit, die es im Leben gibt. Es gibt noch eine andere Gewissheit: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen.

Diese Verheißung verbindet das alte mit dem neuen Jahr. Diese Verheißung geht mit. So wie Gott mit uns durch das ausklingende Jahr gegangen ist, will er auch das kommende mit uns gehen. Er sagt uns zu: ‚Ich will mit dir gehen. Ich werde bei dir sein und du kannst mit mir reden. Sicher nicht so, dass du immer genaue Anweisungen empfängst, obwohl es Hilfen gibt und Hinweise. Es wird auch nicht so sein, dass du immer das Richtige tust, wenn du dich an mich hältst. Es geht auch nicht immer alles gut. All das garantiere ich nicht. Aber ich ziehe ein Netz unter dir. Das soll dir helfen, dass du weniger Angst hast. Es wird dich halten, wenn dich ein Unglück trifft. Das Netz hält dich auch, wenn du bei den Menschen durchfällst.

Darum sage ich dir: Fürchte dich nicht. Ich bin bei dir. Fürchte dich nicht so sehr um dich und um die Menschen, die du liebt hast. Für dich und für sie ist das Netz gespannt, das sie hält. Denn wenn ein Mensch zu große Angst hat, zittern ihm die Hände, und wie will er dann ruhig werden? Wenn sich ein Mensch zu sehr fürchtet, wird seine Stimme hart, sein Blick ungenau und seine Gefühle eng. Wenn du aber damit zu rechnen versuchst, dass ich bei dir bin, dann wird dir eine Gelassenheit wachsen, die dich aus der Enge heraus in einen weiten Raum führt.‘

Lassen Sie uns mit der Verheißung, dass Gott bei uns ist, in das kommende Jahr gehen.

So wünsche ich allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und ein gutes, neues Jahr,

Ihre Elisabeth Hollmann-Plaßmeier

Gottes-Zeit feiern von Zuhause

Sonntags um zehn Uhr läuten die Glocken. Für ein paar Minuten steigen wir aus. Setzen uns zusammen. Entzünden eine Kerze in unserer Mitte. Erleben gemeinsam eine kleine Gottes-Zeit. Dazu brauchen wir nur uns selbst, eine Kerze und diese kleine Liturgie.

Eine(r):
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen ENTZÜNDEN EINER KERZE

Eine(r) zusammen:
Jesus Christus spricht: „Überall dort, wo zwei oder drei im Schutz meines Namens zusammen kommen, da bin ich mitten unter ihnen.“

KURZE STILLE

Jede(r) für sich:          
Was war schön in der vergangenen Woche? 
Was muss ich loslassen, weil es nicht zu ändern ist? Wo möchte ich mich verändern lassen?
An wen muss ich besonders denken?
Was wünsche ich mir für die nächste Woche?

Alle (abwechselnd?):
Gott, Freund des Lebens, Lebenskraft, besuche du die, die sich jetzt einsam fühlen. Deine Liebe umhülle sie zart. Stärke die, die jetzt für andere sorgen. Gib ihnen Geduld. Gib ihnen Kraft. Erhelle die, die jetzt entscheiden. Mach sie ganz klar. Schenke Mut. Ermahne die, die immer noch verharmlosen. Schenke Einsicht.
Wo wir nicht helfen können, halte unsere Hoffnung offen auf deine Zukunft hin.
Wo das Ganze uns übersteigt, lass uns im Kleinen beginnen. Sei unser Licht in dieser Woche. Zeige uns, was wir tun können. Zeige uns, wer wir sein können. Für uns und die, die mit uns leben.
Vaterunser im Himmel...

Segen (abwechselnd?):
Der Herr sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen. Der Herr sei neben dir, um dich in die Arme zu schließen und dich zu schützen.
Der Herr sei hinter dir, um dich zu bewahren vor der Heimtücke böser Menschen.
Der Herr sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst, und dich aus der Schlinge zu ziehen.
Der Herr sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist. Der Herr sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen.
Der Herr sei über dir, um dich zu segnen.
So segne dich der gütige Gott. Amen

DAS LICHT DER KERZE WIRD GELÖSCHT